REZENSION

von Karin Hahn

AUGUST 2007

BELLETRISTIK

Anita Shreve

Avirama Golan

Christoph Hein

Edward St. Aubyn

Felicitas Mayall

Fred Vargas

Joyce Carol Oates

Kathrin Aehnlich

Kim Edwards

Lena Gorelik

Marie Hermanson

Rachel Cusk

Richard Yates

Stewart O'Nan

GELESENE PROSA

Heinrich Steinfest

JUGENDBUCH

Sergei Lukianenko

Stephenie Meyer

KINDERBUCH

Mirielle Geus

Peter Abrahams

Belletristik

Christoph Hein: Frau Paula Trousseau, Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main 2007, 537 Seiten, 22,80 €

Bereits im Titel des Romans spürt der Leser eine gewisse Distanz des Autors zu seiner Hauptfigur, denn sie wird als „Frau Paula Trousseau“ bezeichnet, nicht als vertraute Paula. Und so bleibt die attraktive, aber unterkühlte Frau Paula Trousseau auch im Laufe ihrer Lebensgeschichte, die sich von ihrer Kindheit bis zum Freitod mit über 40, auf Abstand. Aus der Perspektive Paula Trousseaus fächert sich ein Künstlerleben in der DDR auf, dass nicht von Erfolg gekrönt ist. Trotz diktatorischem Vater, suizidgefährdeter Mutter und einer frühen Ehe, deren tragisches Scheitern bereits voraussehbar ist, entscheidet sich Paula selbstbestimmt gegen den Beruf der Krankenschwester, für die Aufnahmeprüfung an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee. Sie pendelt von Leipzig nach Berlin, übergibt ohne energische Gegenwehr ihre Tochter Cordula, die zeitlebens mit ihrer Mutter keinen Kontakt haben wird, nach der Scheidung in die Hände ihres eigentlich nie geliebten Mannes, um ihr Studium in Ruhe zu beenden.

„Ja, Liebe ist nicht alles.“ Und Paula scheint nicht lieben zu können. Sie gaukelt Gefühle vor und sucht instinktiv die leichten Wege, um an Privilegien zu gelangen und ihren innigsten Wunsch, Malerin zu werden, zu verwirklichen. So zieht sie in die Villa ihres Kunstprofessors. „ Mir gefiel es, weil ich nichts zu verschenken hatte, jedenfalls keine Liebe und keine Gefühle...“ Paula investiert in keine Beziehung. Sie konzentriert sich auf ihr Künstlerdasein, denn auch das freie Malerleben wurde in der DDR nicht finanziell abgefedert, wenn man nicht die entsprechenden Kontakte aufweisen konnte und auf Parteilinie lag. Paula war in dieser Hinsicht doch zu naiv, um zu glauben, dass sie ihre künstlerischen Vorstellungen, modern zu malen bis hin zu abstrakten Bildern, ohne das politische Umfeld zu beachten, durchsetzen könnte.

Paulas weiße Schneelandschaft darf dann nicht vorgezeigt werden, geschweige denn ausgestellt. Für ihr Experiment wird sie bestraft. Sie schlägt sich mit unbefriedigenden Auftragsarbeiten durch den Alltag. Bei der Entscheidung ein zweites Kind zu bekommen, klammert sie den Vater völlig aus. Hier spürt der Leser dann doch ihren inneren Kampf und den seelischen Zwang, für den Jungen etwas zu empfinden. Aber die schöne Paula findet erneut einen Mann, der sie liebt, die Vaterseite für Michael ausfüllt, ein Haus auf dem Land ausbaut und wieder gehen darf. Wenn die Malerin jemals etwas gefühlt hat, dann in der Musik, beim Malen und in zwei lesbischen Beziehungen, die jedoch von kurzer Dauer waren. Auch nach der Wende vereinsamt Paula menschlich und künstlerisch zusehens. Paula ist wie jemand, der sich nicht entwickelt, nicht vom Fleck kommt und durch ihre künstlerischen Ambitionen zu früh gehemmt, auch keine neuen Wege beschreitet.

Christoph Heins Erzählstil fesselt, jedoch sein kühler Blick als Chronist auf diese ausgedachte Biographie der rigorosen, auf sich selbst orientierten, mitleidlosen aber doch scheiternden Frau Paula Trouseau bleibt unbefriedigend. Nichts dringt zur Protagonistin vor. Keine ihrer Verhaltensweisen geben dem Leser die Möglichkeit ins Innere der Figur, ihr Seelenleben vorzudringen, Neues zu entdecken, Veränderungen wahrzunehmen. Und so ist man als Leser auch im Zwiespalt. Dokumentarisch mag die Kunstszene in der DDR auch ihre Reize haben, aber Neues wird über die ebenso schizophren lebenden Künstler mit ihren kleinen Freiheiten nicht berichtet.

Paula als Figur erinnert an die kühle Ärztin Claudia in Christoph Heins so erfolgreichem Roman „Der fremde Freund“. In der DDR, erschienen Anfang der 80er Jahre, spiegelte dieses außergewöhnliche Buch ein Zeitempfinden wider, das so gar nicht zum zensierten Literaturbetrieb des realen Sozialismus damals passte.

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