REZENSION

von Karin Hahn

AUGUST 2007

BELLETRISTIK

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Belletristik

Joyce Carol Oates: Niagara, Aus dem Amerikanischen übersetzt von Silvia Morawetz, S. Fischer Verlag, Frankfurt a.Main 2007, 567 S., €22,90

Die 68-jährige Joyce Carol Oates zu Unrecht als Vielschreiberin gescholten, legt mit „Niagara“ einen Backstein dicken, brillant geschriebenen Roman vor. Thematisch umfangreich, psychologisch interessant, etwas zu mythisch, erzählt sie die in Atem haltende Geschichte von Ariah und Dirk Burnaby.

Fulminant ist jedoch der Auftakt des Romans, dessen Handlung um 1950 beginnt und einen Bogen bis zum Jahr 1978 schlägt. "Ich bin eine Braut, die in weniger als einem Tag Witwe geworden ist." Die unsichere, leicht alkoholisierte Pfarrerstochter Ariah bringt ihre erste Hochzeitsnacht in einem Hotel bei den Niagarafällen mit Referent Gilbert Erskine hinter sich. Es ist eine arrangierte Ehe, denn Ariah ist bereits 29 Jahre alt und fügt sich letztmalig den Wünschen ihrer Eltern. Immer wieder assoziiert Oates Filmsequenzen, ob Fred Astaire einer der Akteure ist oder der Leser unwillkürlich an den legendären Spielfilm „Niagara“ mit der unglücklichen Marilyn Monroe erinnert wird. Am Morgen danach ist der frischgebackene Bräutigam jedenfalls tot. Der Leser wird nicht im Zweifel über seinen Sprung in die Hufeisenfälle und die Homosexualität des bleichen Pfarrers gelassen. Ariah muss sieben Tage warten bis das Unabwendbare wahr ist. Letztendlich geben die Wasserfluten alles wieder her, was sie angezogen haben. Berühren Ariahs tragisches Schicksal, ihre Zweifel und die Ungewissheit am Beginn den Leser, so wird sie in der Entwicklung der Geschichte und beim Gang durch die ereignisreichen Zeiten jedoch zunehmend unsympathischer, egozentrischer, unberechenbarer und vor allem rätselhafter in ihrem Schicksalsglauben. Die inaktive Ariah ist fest der Meinung, dass ein Fluch auf ihr lastet und dieses Gefühl wird sie und die Familiengeschichte beherrschen. Gottes Wege sind unerforschlich und so verliebt sich der wohlhabende Rechtsanwalt Dirk Burnaby fast gegen seinen Willen in die verhuschelte, altjüngferlich wirkende Ariah, die so gut Klavier spielen kann. Burnaby heiratet die rothaarige Frau, die er kaum kennt und lebt mit ihr fernab von seiner Familie in Luna Park, in der Nähe der Niagarafälle. Das glückliche Paar bekommt drei völlig unterschiedliche Kinder und erlebt den industriellen Aufstieg des Ortes neben der touristischen Nutzung. Ariah ist an keinem der gesellschaftlichen Ereignisse interessiert, sie pflegt auch keinen Kontakt zur exaltierten Familie Burnaby. Sie empfängt Klavierschüler, rühmt sich ihrer existentiellen Unabhängigkeit und scheint mit Kindern und Mann ein erfülltes Leben gefunden zu haben. Mit der wachsenden Chemieindustrie steuert der kleine Ort aber auch auf erste Umweltprobleme zu. Grundstücke sind konterminiert, Kinder sterben an Leukämie. Doch die einflussreichen Seilschaften des kleinen Ortes lassen keine Zweifel aufkommen, dass die sich häufenden Todesfälle und zunehmenden Krankheiten mit den Chemiewerken im Zusammenhang stehen. Dirk Burnaby geht entgegen seinen Prinzipien auf eine Klägerin, eine junge Frau, deren Kind an Leukämie gestorben ist, ein. Sie will unbedingt gegen den ortsansässigen Chemiekonzern gerichtlich vorgehen. Tatsächlich gab es einen solchen Fall im Bundesstaat New York. Durch seiner Entscheidung und sein Engagement für diese Klage bringt der Anwalt alle gegen sich auf: seine Frau, die eine Affäre vermutet, die Familie und die wohlsituierten Freunde an den entscheidenden Schaltstellen der Stadt. Burnaby scheitert gnadenlos und wird durch seinen Kampf gegen Korruption und Betrug zum Risikofaktor. Bei einem fingierten Autounfall stürzt er in die Niagarafälle. Ariah ist sich sicher, der Fluch hat sich wieder erfüllt.

Joyce Carol Oates erzählt den Roman aus der Perspektive der fünf Burnabys: Ariah, Dirk und ihren Kindern Chandler, Royall und Juliet. Erst nach 16 Jahren werden Burnabys Kinder die tragische Geschichte ihres Vaters aufdecken, das Schweigen durchbrechen und endlich Licht in den Fall bringen.

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