REZENSION

von Karin Hahn

AUGUST 2007

BELLETRISTIK

Anita Shreve

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Edward St. Aubyn

Felicitas Mayall

Fred Vargas

Joyce Carol Oates

Kathrin Aehnlich

Kim Edwards

Lena Gorelik

Marie Hermanson

Rachel Cusk

Richard Yates

Stewart O'Nan

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JUGENDBUCH

Sergei Lukianenko

Stephenie Meyer

KINDERBUCH

Mirielle Geus

Peter Abrahams

Belletristik

Lena Gorelik: Hochzeit in Jerusalem, SchirmerGraf Verlag, München 2007, Leinen mit Schutzumschlag und Lesebändchen, 256 Seiten, €18,80

Anja Buchmann („ Meine weißen Nächte“) ist wieder da und diesmal heißt ihr Bekannter und potentieller Liebhaber Julian, der Anjas Vater überhaupt nicht gefällt. Der Mutter ist jeder Mann Recht, denn sie wartet inständig auf Enkelkinder. Anjas 30-jähriger Bruder scheint da ein Spätzünder zu sein oder ist er etwa doch....?, was alle Verwandten vermuten. Ziemlich direkt und unverschämt fahren die Tanten den Onkeln, ob in Amerika, Israel oder Russland über den Mund und kennen keine Gnade, wenn es um die russische Familie und den Zusammenhalt geht. Blut ist eben doch dicker als Wasser. Anja und Julian sind jedenfalls ein komisches Paar. Sie, die aufgedrehte, halbschicke, selbstbewusste Russin, die mit 11 Jahren von Sankt Petersburg mit ihrer jüdischen Familie als Kontingentflüchtling nach Deutschland kam und nun fest im Jobsattel sitzt. Auch wenn ihre Mutter von Hochzeit und Kindersegen schwärmt, kann Anja-Single dem noch lang widerstehen. Er, der langhaarige, stille Halbintellektuelle ( was er beruflich macht, wird nicht erwähnt) mit den gutsituierten, linken Freunden, die noch von Mama und Papa finanziell unterstützt werden und der gerade seinen jüdischen Wurzeln nachspürt. Zeitgemäß lernen sich die beiden in der Jewish-Single-Börse kennen. Er will einfach nur Kontakt zu Menschen aufnehmen, die ihn mit dem jüdischen Leben vertraut machen können. Sie sucht Ablenkung nach großem Liebeskummer. Julians ungarischer Vater eröffnete seinem Sohn an seinem Geburtstag, dass seine jüdischen Großeltern in Auschwitz umgekommen sind. Ungezwungen und vor allem respektlos beginnt nun eine Achterfahrt durch das jüdische Leben und die Glaubensgemeinschaften, denn die freche Anja kennt keine Rücksichten, wenn es um ihre jüdischen Landsleute in Deutschland geht. Höhepunkt der Reise ist dann die Hochzeit in Jerusalem. Eigentlich wollten Anja und Julian, die sich ein wenig ineinander verliebt haben, gemeinsam nach Israel reisen. Julian immer noch im Zweifel, ob er nun zum Glauben konvertieren will oder nicht, erhofft durch den Aufenthalt im Heiligen Land Klarheit zu erlangen. Als Anjas streitlustige, gluckenhafte Mutter so friedlich ihren Reiseplänen zustimmt, hätte sie eigentlich skeptisch werden müssen. Schnell stellt sich heraus, dass sich die gesamte Familie zur Hochzeit einer Verwandten, welchen Grades auch immer, aufmachen und von Anjas Seite nicht mehr weichen wird.

Lena Gorelik schlägt einen trockenen forsch-komischen Erzählton an. Von der Gegenwart wandert sie leichthändig und vor allem ohne falsche Ehrfurcht in die Kindertage im Asylantenheim zurück, erinnert sich an ihre bedrückenden Gefühle als Ausländerkind, die schnell gefällten Vorurteile, den berühmten Kartoffelsalat, an russische Lebensart, Streitlust und die jüdische Mama, die an jedem Tag anrufen muss, um zu fragen, ob das Kind schon gegessen hat. Vielleicht ist das alles den Lesern bereits aus dem Debütroman der jungen Autorin bekannt. Es liest sich auch ein zweites Mal ganz wunderbar.

Lena Gorelik findet jedoch auch Zwischentöne, die bei aller Leichtigkeit und Unbeschwertheit, der Geschichte Tiefe geben. So umgeht sie nicht den Konflikt zwischen den Juden und Palästinensern, die deutsche Vergangenheit, um im nächsten Moment wieder locker leicht ein banales Alltagsthema zu diskutieren und das Tragische einfach wegzuwischen.

Julians Identitätssuche geht in der hektischen Familiengeschichte unter. Auch Anjas Eifersüchteleien wirken stellenweise etwas pupertär, als würde sie sich weigern erwachsen zu werden. Aber auch der weichliche Julian, der mit seiner Vorliebe für Grünen Tee und die Grüne Partei nicht gerade die Inkarnation der Männlichkeit verkörpert, wirkt in Israel etwas unbedarft. Besonders in dem Moment, wo er nicht weiß, wie er sich dem berühmten Holocaust-Denkmal nähern soll – als Deutscher oder Jude.

Es geht nicht um politisch korrektes Verhalten, es geht um das Leben und das kann einfach nur komisch sein.

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