REZENSION

von Karin Hahn

AUGUST 2007

BELLETRISTIK

Anita Shreve

Avirama Golan

Christoph Hein

Edward St. Aubyn

Felicitas Mayall

Fred Vargas

Joyce Carol Oates

Kathrin Aehnlich

Kim Edwards

Lena Gorelik

Marie Hermanson

Rachel Cusk

Richard Yates

Stewart O'Nan

GELESENE PROSA

Heinrich Steinfest

JUGENDBUCH

Sergei Lukianenko

Stephenie Meyer

KINDERBUCH

Mirielle Geus

Peter Abrahams

Belletristik

Avirama Golan: Die Raben, Roman; aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler; Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 2007; 252 S., 19,80 €

Die starrsinnige Didi in Tel Aviv torkelt mit ihren Anfang 40 völlig hilflos durch die Handlung. Sie renoviert ihr Haus und gibt zum Entsetzen ihres Mannes 60 000 Dollar für die Arbeiten im Bad, in der Küche und für den Parkettboden aus. Doch kaum ist das Nest fertig, zerbricht die Eheidylle, die schon lang keine mehr ist. Schweigen und Ratlosigkeit umnebeln das Leben von Didi und Schimon. Sie hat eine Affäre mit dem jüngeren, arroganten Gade und Schimon verliebt sich in die 28-jährige Chani. Die Familie zerbricht. Didi kümmert sich nur noch um ihre 12-jährige Tochter Na'ama, doch am liebsten würde sie selbst in die Rolle des Kindes schlüpfen. Ihre „Übermutter“ Sarke hat sie im entpersönlichten Kibbuz groß werden lassen in der Überzeugung, dass diese Lebensform die einzig richtige ist. Ihre Enkeltochter Na'ama beobachtet mit dem geliebten Großvater das Verhalten der Rabeneltern, die treu beieinander bleiben. Sie ziehen die fremden Kuckuckskinder auf und schauen passiv zu, wie ihre eigenen aus dem Nest fallen. Beobachten darf man sie nur aus sicherer Entfernung. Denn wer sich einem Nest oder einem herausgefallenen Küken nähert, wird von den Raben angegriffen und verfolgt.

Parallel zu Didis Geschichte betrachtet Avirama Golan im Rückblick das Leben der 80-jährigen Genia Feldmann. Sie ist der Archetypus der leidenden Mutter, die ihre Opferrolle nie verlässt. 1937 aus der Ukraine ins damalige Palästina ausgewandert, verklärt sie ihre europäische Heimat. Sie schrubbt ihren Sohn Rami, dem „Goldjungen“ und späteren Offizier einer Eliteeinheit der Marine, der ums Leben kommen wird und ihrer verschüchterten, schmale Tochter Rivkale, die später durch ihre sexuellen Exzesse die Freiheit sucht, voller Inbrunst mit Seife rein und versucht sie vor allen Gefahren zu schützen. Die Kinder stehen unter ihrer unbarmherzigen Kontrolle und werden in gnadenloser Abhängigkeit gehalten. Freiräume sind nicht erlaubt, denn Genia kann sich nur über ihr Muttersein und ihr pausenloses Abschuften im Haushalt spüren. Doch am Ende zerbricht alles, die Kinder sterben oder finden ihren eigenen Weg, um nicht mehr nach Hause zurückkehren zu müssen und Genia kommt auf ungewöhnliche Weise ums Leben. Einmal kreuzen sich auch Genias und Didis Wege. Die Kinder nehmen im Leben der ehrgeizigen, israelischen Mütter einen zentralen Platz ein und doch sind die Frauen nicht in der Lage ihren Töchtern oder Söhnen Geborgenheit, Zuwendung oder Liebe zu schenken. Es ist ein erschreckendes Gesellschaftsbild, dass Avirama Golan zeichnet.

Die Rolle der Mutter und Frau zieht sich als Motiv durch Avirama Golans Bestseller. Ob Didi, Genia, Sarke oder Rivkale – alle Frauen spiegeln in unterschiedlichster Weise ein Mutterbild wieder, dass eher verstört, denn keine der Frauen findet ein rechtes Maß an Nähe und Distanz.

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