REZENSION

von Karin Hahn

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Philip Reichardt: Auf einmal war er nicht mehr da, Ein Sohn, ein Vater, eine Spurensuche, Luchterhand Literaturverlag, München, 2008, 256 Seiten, € 19,95

Erinnerungsbücher liegen im Trend. Warum auch nicht, die Familie bereits lang tot gesagt, erfreut sich immer wieder erneuter Aufmerksamkeit. Doch dieses Erinnerungsbuch ist kein politisch gewichtiges, keine Abrechnung offener Rechnungen, kein Nachgesang und auch keine Wiedergutmachung.

Philip Reichardt geht trotz anfänglicher Befangenheit auf intensive Spurensuche, immer die Frage im Visier: Wie genau kennt der Sohn seinen Vater? Ein sehr persönliches Buch ist dabei entstanden und beginnt mit dem unerwarteten Tod des Vaters Tino Reichardt, der im Schlaf gestorben ist. Noch erinnert sich der Sohn an das letzte Telefonat, an die letzte Nachricht auf der Mailbox. Man war sich nicht fremd, hat sich nicht jahrelang aus den Augen verloren und doch bleibt so einiges offen, ungesagt, ungefragt. Die Vergangenheit. In seinen authentischen Recherchen in Ost und West stößt Philip Reichardt auf keinen fanatisch begeisterten Nationalsozialisten, niemanden, der anderen Leid zugefügt hat. Nach dem Krieg als Flüchtling in München gestrandet, beginnt der Vater ein normales, sogar als Journalist ungewöhnlich erfolgreiches Leben. Ganz nebenbei streift der Autor gut ein halbes Jahrhundert Geschichte in nur wenigen Einblicken ins Familienleben.

Viele Geheimnisse, trotz glanzvoller Jobs bei Esquire oder Vogue und anderen Hochglanzzeitschriften, spürt der Sohn nicht auf. Die acht Jahre ältere Schwester begegnet dem Bruder und seiner intensiven Zusammenstellung des Lebens-Puzzles des Vaters mit Ablehnung. Doch wie geht man mit dem umfangreichen Nachlass eines Menschen um, der von sich aus nichts wegwerfen mochte. Wie bedrohlich oder ergebnislos kann das Nachforschen sein? Erst durch Zufall stößt der Sohn auf ein Dokument, dass ein paar neue Lebensfacetten dem schon vorhandenen Vaterbild hinzufügt.

Kernpunkt des Buches ist Tinos Tagebuch als 17-Jähriger, das Philip Reichardt im Nachlass findet. Doch er lernt keinen fremden Menschen kennen, alles, was in den Jahren folgt, scheint in diesem Tagebuch auch zwischen den Zeilen bereits vorausgeahnt und aufgeschrieben.

„Zunehmend fasziniert mich das Paradox, wie Notizen, die ursprünglich nichts weiter waren als Momentaufnahmen und Selbstgespräch, nun 60 Jahre später, ein Leben erklären halfen, das zum Zeitpunkt der Niederschrift noch vor ihm lag, zum Zeitpunkt meiner Lektüre bereits hinter ihm.“

Dass der Vater Talent zum Schauspielern und Geschichten erfinden hatte, war Philip bewusst. Dass sein selbstgenügsam gewordenes Rentnerleben ihm nicht gereicht hat, offenbart sich in einem Gespräch mit einer entfernten Freundin des Vaters. Er spielte ihr den viel beschäftigten Freiberufler vor. So hat der Vater auch in den letzten Jahren viele Kontakte einschlafen lassen. Aus einem Gefühl der Unbedeutenheit heraus, der Tatsache, dass man sich nichts mehr zu sagen hätte?

Philip Reichardt schreibt aus der Distanz von fünf Jahren eher leichthändig, unterhaltsam, sensibel und doch ohne elegische Momente. Nichts Außergewöhnliches, Spektakuläres, zu Fürchtendes tritt zu Tage und doch begleitet man Philip Reichardt mit Empathie auf seiner Reise. Vielleicht ist gerade das Normale das Beruhigende.

Sicher verbindet sich mit diesem Rückblick auf das Leben des Vaters auch eine Auseinandersetzung mit dem eigenen privaten wie beruflichen Werdegang des Autors. Über diesen inneren Prozess hätte der Leser gern mehr erfahren. Doch vielleicht wäre das zu weit gegangen.

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